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Auswirkungen der neuen TA-Luft auf die Armaturen-Industrie

Die überarbeitete TA-Luft wird sich auf die ISO 15848-1 beziehen, um die Allgemeinheit und die Nachbarschaft zu schützen. Und um schädliche Auswirkungen auf die Umwelt durch Luftverschmutzung zu verhindern. All das, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt als Ganzes zu erreichen.

In meinem Blogbeitrag möchte ich erläutern, welche Auswirkungen diese Änderung auf die Armaturen-Industrie haben wird.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als vor vielen Jahren die TA-Luft, Ausgabe 1986 von der Ausgabe 2002 abgelöst wurde und die VDI 2440 als Prüfvorschrift dazu kam.

Unsere damals qualifizierten TA-Luft-Dichtsysteme konnten den Anforderungen der VDI 2440 nicht standhalten und neue Dichtsysteme mussten entwickelt werden.

Die große Herausforderung damals war es, dass die Leckagerate auch bei erhöhter Temperatur und bis zum Nenndruck bestimmt werden musste.

Kein TA-Luft Regelwerk für den Prüfablauf

Leider ist in der VDI 2440 kein konkreter Prüfablauf beschrieben, was viel Interpretationsfreiraum für unterschiedliche Prüfabläufe zulässt. Dennoch wurden die TA-Luft-Ventile von AS-Schneider damals schon mit vollen Temperaturzyklen getestet und zugelassen, da der kritische Punkt – zumindest bei PTFE-Dichtungen – direkt nach dem Abkühlen liegt.

TA-Luft Ergebnisse sind nicht vergleichbar

Leider haben manche Hersteller die Tests nur bei Raumtemperatur und erhöhter Temperatur gemacht, ohne dabei wieder auf Raumtemperatur abzukühlen. Eine Untersuchung eines solches Ventils auf unserem hauseigenen Prüfstand zeigte, dass dieses Ventil tatsächlich nach dem Abkühlen ein Grobleck hatte – obwohl es nach TA-Luft bestätigt wurde.

Durch die weichen Anforderungen der VDI 2440 und den damit unterschiedlichen vorherrschenden Prüfabläufen sind die TA-Luft-Armaturen nicht miteinander vergleichbar und es ist immer empfehlenswert, sich den Prüfbericht zum entsprechenden Zertifikat anzusehen.

ISO-Norm 15848-1 sollte Abhilfe schaffen

Im Jahre 2006 erschien dann die ISO 15848-1. Als ich diese Norm das erste Mal gesichtet hatte, war ich sofort Feuer und Flamme – endlich waren Prüfablauf und Prüfbedingungen genau geregelt und jeder Hersteller hatte seine Armatur gleich zu testen. Somit waren die Armaturen auf einmal miteinander vergleichbar.

Bereits im Jahr 2011 konnten wir stolz die ersten Ventile vom TÜV SÜD nach ISO 15848-1 abnehmen lassen und das teilweise sogar in der höchsten Dichtheitsklasse A und der höchsten Ausdauerklasse CO3.

Die Bedeutung dieser ISO-Norm hat weltweit ständig an Bedeutung gewonnen und ist mittlerweile ein etabliertes Regelwerk, wenn es um flüchtige Emissionen geht

 

Im Folgenden möchte ich kurz auf die TA-Luft und die wesentlichen Unterschiede der beiden Normen “VDI 2440” und “ISO 15848-1” eingehen.

Was ist die TA-Luft?

TA-Luft ist die übliche Abkürzung für die Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes–Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA-Luft) vom 24. Juli 2002.

In der Armaturenbranche kennt jeder den Begriff “TA-Luft” im Zusammenhang mit besonders dichten und hochwertigen Armaturen.

Diese Vorschrift umfasst 239 Seiten und dient dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft und der Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen.

Nur ein kleines Kapitel beschreibt die Anforderungen an die Spindelabdichtung von Armaturen.

Anforderungen an die Spindelabdichtung von Armaturen

3.1.8.4

Absperr-
organe

’86 Ausgabe

Spindeldurchführungen von Ventilen und von Schiebern sind mittels Faltenbalg und nachgeschalteter Sicherheitsstopfbuchse oder gleichwertig abzudichten, wenn flüssige organische Stoffe gehandhabt werden, die …. enthalten.
5.2.6.4

Absperr-
organe

’02 Ausgabe

Zur Abdichtung von Spindeldurchführungen von Absperr– oder Regelorganen, wie Ventile oder Schieber, sind
1) hochwertig abgedichtete metallische Faltenbälge mit nachgeschalteter Sicherheitsstopfbuchse    oder
2) gleichwertige Dichtsysteme
… zu verwenden.

Dichtsysteme sind als gleichwertig anzusehen, wenn im Nachweisverfahren entsprechend Richtlinie VDI 2440 (Ausgabe November 2000) die temperaturspezifischen Leckageraten eingehalten werden.

Überarbeitung der TA-Luft

Die erste TA-Luft wurde mit Ausgabe 1964 veröffentlich, damals noch als Gewerbeordnung.

Anschließend wurde sie unter dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) angeordnet mit den Ausgaben 1974, 1986 und 2002.

Aktuell ist die TA-Luft wieder in Überarbeitung und für das parlamentarische Verfahren liegt nun ein Kabinettentwurf vom Dezember 2020 vor.

Die Veröffentlichung der neuen Verwaltungsvorschrift ist auf Anfang 2021 geplant und es muss nur noch der Bundesrat zustimmen.

Als ich dann noch gehört habe, dass die neue TA-Luft sich auf die ISO 15848-1 verweisen soll, war ich natürlich begeistert, zumal wir viele Armaturen bereits nach ISO 15848-1 zugelassen haben.

Geplante Änderungen für Armaturen und Auswirkungen auf die Branche

Auszug aus dem neuen Regelwerk

Nach dem Kabinettentwurf vom 16. Dezember 2020 sieht das Kapitel für Absperr- oder Regelorgane wie folgt aus:

5.2.6.4

Absperr- oder Regelorgan

aus Referenten-
entwurf 12/16/2020

Ab dem [xx.xx.xxxx] sollen Absperr- oder Regelorgane, wie Ventile, Schieber oder Kugelhähne verwendet werden, die bei Drücken bis ≤ 40 bar und Auslegungstemperaturen ≤ 200 °C die Leckagerate LB (≤ 10-4 mg/s∙m) bezogen auf den Schaftumfang und bei Drücken bis ≤ 40 bar und Auslegungstemperaturen > 200 °C die Leckagerate LC (≤ 10-2 mg/s∙m) bezogen auf den Schaftumfang für das Prüfmedium Helium oder andere geeignete Prüfmedien, zum Beispiel Methan, erfüllen. Bei Drücken von > 40 bar und Auslegungstemperaturen ≤ 200 °C ist die Leckagerate LC (≤ 10-2 mg/s∙m) bezogen auf den Schaftumfang zu erfüllen und soll bei > 200 °C erreicht werden.

Abdichtungen von Spindeldurchführungen ausgeführt als hochwertig abgedichtete metallische Faltenbälge mit nachgeschalteter Sicherheitsstopfbuchse erfüllen die Anforderungen der Leckagerate LB ohne gesonderten Nachweis.

Ansonsten sind zum Nachweis der spezifischen Leckagerate des Dichtsysteme, zur Prüfung sowie deren Bewertung und Qualifikation die DIN EN ISO 15848-1 (Ausgabe November 2015) oder andere nachgewiesen gleichwertige Prüf- oder Messverfahren, wie zum Beispiel der Helium-Lecktest oder die Spülgasmethode anzuwenden.

Um die Dichtheit dauerhaft sicherzustellen, sind Anforderungen für die Prüfung und Wartung der Dichtsysteme in Managementanweisungen festzulegen.

Bestehende Absperr- oder Regelorgane für ….

Zusammenfassung vom neuen Regelwerk

1) Faltenbalgarmaturen

Armaturen mit Faltenbalg und Sicherheitsstopfbuchse erfüllen automatisch die TA-Luft.

2) Qualifikation der Armaturen

Die Qualifikation erfolgt nicht mehr nach VDI 2440, sondern nach ISO 15848-1.

Dadurch ist der Prüfablauf exakt vorgegeben und die getesteten Armaturen können direkt miteinander verglichen werden.

3) Klassifizierung nach ISO 15848-1
3.1) Dichtheitskasse

ISO 15848-1 unterscheidet zwischen 3 Dichtheitsklassen (A, B, oder C), macht jedoch keine Vorgabe, welche Klasse erreicht werden muss – die Dichtheitsklasse ergibt sich nach dem Test der Armatur.

Die neue TA-Luft macht deshalb folgende Vorgaben, abhängig von Druck und Temperatur:

p <= 40 bar p > 40 bar
T <= 200 °C LB (BH) LC (CH)
T > 200 °C LC (CH) LC (CH) (as the target)

Anmerkung: Die Leckagerate nach TA-Luft wird in LB, bzw. LC angegeben und ist mit den Leckageklassen BH und CH der ISO 15848-1 identisch.

3.2) Festigkeitsklasse

Es wird keine Aussage über die geforderte Festigkeitsklasse (CO1, CO2, oder CO3) gemacht. Diese ist mit Kunden abzustimmen, wobei zu bedenken ist, dass eine höhere Festigkeitsklasse sehr wahrscheinlich auch höhere Kosten der Armatur bedeutet.

Chart of endurance class - Revision of TA-Luft Emission Standard.

Prüfablauf für Absperrventile der Ausdauerklasse CO1

Ttest    Prüftemperatur in °C

L1         Messung der Undichtheit der Schaftabdichtung

L2         Messung der Undichtheit der Gehäuseabdichtung

N           Anzahl der mechanischen Zyklen

P           Druck des Prüfmediums

3.3) Temperaturklasse

Es wird keine Aussage über die Temperaturklasse gemacht. Diese ist mit Kunden abzustimmen.

Welche Ausgabe der TA-Luft ist nun die strengere?

Auf den ersten Blick, erlaubt die neue TA-Luft deutlich größere Leckageraten, da diese ca. eine Zehnerpotenz höher liegt. Das relativiert sich ein wenig, wenn man beachtet, dass bei der ISO 15848-1 die spezifische Leckrate auf den Schaftdurchmesser bezogen ist (gem. Tabelle C.2 der ISO 15848-1) und bei der VDI 2440 auf den mittleren Dichtungsumfang.

Der Umfang ist um den Faktor 3,14 (Pi) größer als der Durchmesser und die Dichtung hat auch einen größeren Durchmesser als der Schaft.

Um konkret zu werden soll die folgende Tabelle den direkten Vergleich für ein ausgewähltes Absperrventil veranschaulichen:
Schaft-/Spindeldurchmesser:      12mm   (Basis für ISO 15848-1)
Mittlerer Dichtungsumfang:          50mm   (Basis für VDI 2440)

Zulässige Leckageraten in mbar x l /s
Temperaturbereich TA-Luft 2021 / ISO 15848-1 <= 40bar TA-Luft 2021 / ISO 15848-1 > 40bar TA-Luft 2002 / VDI 2440
<= 200°C / 250°C 2,14 x10-5 2,14x10-3 5,00x10-6
> 200°C / 250°C 2,14 x10-3 2,14x10-3 anzustreben 5,00x10-4

Betrachtet man nur die zulässigen Leckageraten, ist die alte TA-Luft in Verbindung mit der VDI 2440 die strengere Norm, was besonders bei Drücken über 40bar und Temperaturen <200°C ausgeprägt ist. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass bei der ISO 15848-1 auch die Gehäusedichtungen geprüft werden müssen und mindestens 2 Temperaturzyklen gefahren werden müssen.

Ob die neue TA-Luft nun strenger oder einfacher ist, kann pauschal nicht gesagt werden, weil dies auch davon abhängt, wie die Prüfung der alten TA-Luft / VDI 2440 durchgeführt wurde, bzw. wie viele mechanische und thermische Zyklen gefahren wurden.

Zusammenfassung

Viele Anlagenbetreiber suchen dringend Armaturen, welche nach der neuen TA-Luft zugelassen sind.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir bereits vor 10 Jahren unsere Produkte nach der ISO 15848-1 zertifiziert haben und die Ventile somit schon die neue TA-Luft erfüllen, wobei die damals zulässige Leckagerate für Class A Ventile sogar noch eine Zehnerpotenz höher lag und die Festigkeitsklasse CO1 500 mechanische Zyklen anstatt 205 Zyklen forderte.

Mit Stolz können wir unsere erst vor kurzem neu zugelassenen Ventile der E-Programm-Serie präsentieren. Mit einem Temperaturbereich von -50°C bis zu +400°C und einem Nenndruck von 250bar können wir einen sehr großen Bereich abdecken. Die Tests wurden auf unserem hauseigenen Prüfstand durchgeführt und vom TÜV Süd überwacht und zugelassen.

Es ist damit zu rechnen, dass es in nächster Zeit bei den Prüfeinrichtungen / Laboren lange Wartezeiten geben wird, da viele Hersteller nun auf die neue Prüfgrundlage umstellen müssen.

Image Source: © AS-Schneider